prag19mai2007

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Ich sitze an der Moldau, direkt am Wasser in der Nähe eines kleinen Dammes, der einen
ca. 200 Meter langen Teil der Moldau, nahe der Karlsbrücke, reguliert und den Fluss etwas ruhiger hält.
Vor mir ein Glas tschechischer Wein -  halb leer und halb voll.
Mein Blick gerichtet gegen die Karlov most, meine Gedanken gegen Vergangenheit & Zukunft.
 
Ich spiele mich mit dem Gedanken mir hier eine kleine Wohnung anzumieten, alleine unter Menschen, deren Sprache ich nicht spreche und trotzdem Verbundenheit zu ihnen empfinde, wenn ich auf den gepflasterten Strassen spaziere und in die Gesichter, der an mir vorbeistreifenden Menschen, blicke.
Ja, eine Wohnung. Wenn hier Immobilien so günstig sind wie der Rest in Prag -  zumindest aus der Sicht eines durchschnittlichen mitteleuropäischen Touristen - dann wäre es doch eine Überlegung wert.
 
Tourist auf Tourist, Mensch auf Mensch, wie die vielen Grashalme einer Wiese, die sich im Wind wiegen - so auch die Individuen und Gestalten auf der Karlsbrücke.
Treibende und strömende Massen auf ihr.
 
Musik erreicht... berührt mich - sie scheint aus dem Lokal zu erklingen vor dem ich sitze.
Meine Kehle fühlt sich trocken an. In meinen Gedanken versunken hat sich mein Speichelfluss nahezu auf null reduziert. Ich nehme einen Schluck von meinem Wein.
Der kleine Damm: Er bricht das Wasser - dessen Spannung.
Einen halben Meter weiter unten trifft das gebrochene Wasser auf die Oberfläche auf und erzeugt ein intensives, eindringliches, aber sehr beruhigendes und entspannendes Rauschen. Nein, vielmehr einen höchst meditativen Klang.
Links von mir schwebt Musik, rechts der Klang von gebrochenem, vereintem Wasser.
In der Mitte findet sich mein Platz und zusammen ergibt sich ein gemeinsames Spiel, von Tönen und Empfindungen, deren Bühne ein Teil meiner Seele ist.
 
Die Sonne steht tief, noch hoch genug um die Karlsbrücke und das mir gegenüberliegende Ufer zu besonnen.
Die Stadt. Eine Wohnung. Ein Platz für mich. Ruhe, Gelassenheit, Befremdung und Entfremdung.
Könnte ich mich hier zuhause fühlen?
 
Wo bin ich zuhause...?               
Hatte ich mich schon jemals zuhause gefühlt...?
 
Etwas in mir lässt es nicht zu lange an einem Ort zu verweilen - Ungeduld beherrscht mich.
Tu ich es trotzdem - entgegen meinem inneren Verlangen - spüre ich in mir, wie sich eine von Minute zu Minute, von Tag zu Tag wachsende Unruhe in mir ausbreitet.
Schon als kleines Kind hatte ich diesen Trieb - genährt von Ungeduld.
Es kam gelegentlich vor, dass ich meinem Vater bei diversen längeren und oder kürzeren Reisen begleiten durfte. Diese Gelegenheiten waren selten und für mich ein Abenteuer.
Ich fuhr mit, doch kurz nach Erreichen unseres Zieles ließ meine Ungeduld nicht lange auf sich warten und entgegen jeder Abenteuerlust wurde aus mir ein zappelnder Fisch an der Angel.
 
 
Selbst in diesem Moment, bei einem Glas Wein, neben der Moldau...
mein Blick gegen die Karlsbrücke die im Abendrot leuchtet...
spüre ich das zappeln des Fisches und den Drang zurück zu gehen - jetzt.
Aber Wohin?
 
Nach Hause?
 
Ich habe und hatte bis heute kein Zuhause!
 
Was ist Zuhause?
 
Ein Ort, ein Platz an dem man alles vergessen kann,
ein Ort an dem es keiner Fragen bedarf,
ein Ort an dem man sich fallen lässt ohne Sorge.
 
Doch!
Ich fühlte mich schon zuhause. Der Ort hieß Liebe!
Zuhause ist dort, wo das ist was deine Seele braucht.
Zuhause ist niemals an einem Ort gebunden - auch nicht in Prag.
 
Zuhause ist auch nicht nur dort wo andere Menschen sind und lieben,
nicht nur dort wo andere Seelen die Gegenwart erleuchten.
Zuhause ist ausschließlich in unserer eigenen Seele.
Nur Du selbst kannst Dir und Deiner Seele geben was sie braucht.
 
Home in your soul.